Warum wir nicht mehr bei „Stadtradeln“ mitfahren

Einmal im Jahr galt es bisher, kräftig in die Pedale zu treten. Jedenfalls kräftiger als sonst, denn die jährlich stattfindende Aktion „Stadtradeln“ forderte jedesmal unseren sportlichen Ehrgeiz heraus. Drei Wochen lang zählte jeder geradelte Kilometer im Team. Die besondere Würze war der Wettbewerb mit den anderen Teams um die meisten gefahrenen Kilometer pro Teilnehmer sowie die größte Einzelleistung. Seit 2020 ist Schluss damit. Und so findet auch die diesjährige Aktion (17. Juni – 07. Juli) ohne uns statt. Schade eigentlich, denn der verkehrspolitische Kern der Aktion des Klimabündnisses aus Kommunen, NGOs und anderen Organisationen ist mehr als begrüßenswert – obwohl auch dort das machtpolitische Vehikel der CO2-Emissionen als zentrale Größe des angeblich ausschließlich menschengemachten Klimawandels eine zentrale Rolle spielt.

Und dann kam Corona

Eine schöne Tradition jeder Stadtradeln-Aktion ist die Auftaktveranstaltung, bei der Vertreter der Kommunalverwaltung Grußworte sprechen und es im Pulk anschließend auf eine Auftakttour durch die Region geht. 2020 verzichtete man aufgrund der grassierenden Virus-Panik darauf. 2021 war die Auftaktveranstaltung wieder möglich, allerdings unter den irrationalen Restriktionen des herrschenden Corona-Regimes.

Man hatte sich anzumelden und musste seine Ungefährlichkeit gemäß der diskriminierenden 3G-Regel unter Beweis stellen. Für uns als Nicht-Gentherapierte hätte das die Durchführung eines invasiven Nasenabstrichs bedeutet – und das für eine Radfahrt an der frischen Luft. Dabei stand im Spätsommer 2021 bereits fest, dass die Übertragung von Atemwegsviren an der frischen Sommerluft nahezu ausgeschlossen ist. So wurde die sinn- und evidenzlos diskriminierende 3G-Regel für die Auftakttour zum Ausschlusskriterium für die Aktion Stadtradeln. Denn mit der 3G-Regel war verbunden, dass plötzlich medizinische Merkmale relevant für den Zugang zum Einsatz für eine Förderung des Radverkehrs geworden waren.

E-Krafträder nehmen Überhand

Ein weiteres Argument gegen die Teilnahme ist die um sich greifende Elektrifizierung des Radverkehrs. Alleinstellungsmerkmal des Fahrrades ist sein ausschließlicher Betrieb mit Muskelkraft. Sobald Drittenergie ins Spiel kommt, handelt es sich um ein Kraftrad. Dabei ist es unerheblich, ob diese Drittenergie aus Elektro- oder Benzinmotoren stammt. Hinsichtlich der Umweltverträglichkeit unterscheiden sich beide Varianten nur graduell – insbesondere, wenn man die Problematik von Herstellung und Entsorgung der Akkus einbezieht.

Gefühlt 70% aller „Fahrräder“ auf Lübecks Straßen sind Pedelecs und E-Bikes. Der Anteil echter Fahrräder nimmt stetig ab. Selbst Jugendliche oder sportiv daherkommende Leute sind mit Motorkraft auf zwei Rädern unterwegs. Ein bedenklicher Trend, da die zunehmende Elektrifizierung des Radfahrens zulasten des Anteils an Fahrten geht, die auch ohne E-Unterstützung möglich wären. Es findet also eine breite Verlagerung hin zu einer im Hinblick auf ihren Ressourcenverbrauch intensiveren Mobilitätsform statt, was nicht gerade im Einklang mit dem Nachthaltigkeitsgedanken steht.

Stadtradeln weist elektrifizierte Kraftradler nicht eigens aus, obwohl diese in Sachen Kilometerleistung erhebliche Vorteile genießen. Im Gegenteil, die Teilnahme von Pedelecs & Co. wird aus durchaus fragwürdigen Gründen tendenziell begrüßt:

Quelle: https://www.stadtradeln.de/faq

Wozu sich sich also als echter Radfahrer abstrampeln, wenn die Teilnehmer eines anderen Teams mit Motorunterstützung unterwegs sind? Eine Vergleichbarkeit der erbrachten Kilometerleistung ist so nicht mehr gegeben, weshalb man sich die Einträge getrost sparen kann. Leider entfällt mit diesem kompetitiven Aspekt ein wesentliches gemeinschaftsbildendes Element.

Fazit

Stadtradeln ist tolle Aktion, die auf eine sehr öffentlichkeitswirksame und partizipative Weise der Förderung des Radverkehrs dient. Ihr zentrales Element, die Einsparung des CO2-Ausstoßes bei Umstieg auf Zweiräder gegenüber (benzinbetriebenen) Autos, scheint dabei eher ein machtpolitisches Moment zu sein, dem vor dem Hintergrund alltagspraktischer verkehrspolitischer Planungen speziell in Großstädten eine geringere Bedeutung zuzumessen ist.

Gleichwohl hat die Auftaktveranstaltung 2021 gezeigt, dass sich auch Stadtradeln hinsichtlich des Zugangs zu verkehrspolitischem Engagement problem- und widerspruchslos in ein Regime von Diskriminierung und Ausgrenzung eingefügt hat und somit gewissermaßen zu einer Art Mittäter geworden ist.

Die fehlende oder politisch nicht gewollte Unterscheidung der Radfahrer in solche, die ausschließlich mit Muskelkraft betriebene Räder (Biobikes) fahren, und andere, die mit Drittenergie unterwegs sind, konterkariert nicht nur den Nachhaltigkeitsvorteil des Fahrrades, sondern macht die eingetragenen Kilometerleistungen der Teams weitgehend obsolet.

Mit zunehmender Elektrifizierung des Radverkehrs dürfte die Aktion Stadtradeln immer weiter an Attraktivität für die diejenigen zu verlieren, die immer noch ohne Drittenergie unterwegs sind und dem unsäglichen Zeitgeist der Motorunterstützung von immer mehr Bereichen menschlichen Körperaktivität kritisch gegenüberstehen.