Kapitulation vor dem antidemokratischen Mob
Spätestens seit der Coronakrise zeigt sich zunehmend, wie sehr fundamentale demokratische Praktiken einem rasanten Erosionsprozess ausgesetzt sind. Während der gesellschaftliche Diskursdkorridor stetig enger und ideologiegeladener wird, verknüpft sich die Diskurshoheit der Machteliten immer enger mit dem Impetus einer (pseudo-)moralischen Überlegenheit, die zunehmend die Legitimationgrundlage einer Verbannung oppositioneller Stimmen aus dem öffentlichen Meinungswettstreit bildet. Kurz, der Demokratieabbau wird mit einer proklamierten moralischen Überlegenheit oder Notwendigkeit begründet, die selbst die Außerkraftsetzung von Grund- und Bürgerrechten gestattet. Diese durchaus radikale Entdemokratisierung des öffentlichen Diskurses mündet in der Folge immer öfter in der Anwendung physischer Gewalt zur Verhinderung der Meinungsäußerung oder Entrechtung des politischen Gegners, der sich als Protagonist des moralisch Verwerflichen selbsttätig in die Vogelfreiheit begeben hat.
Alter Wein in neuen Schläuchen – auch in Lübeck
Diese Prozesse sind beileibe nichts Neues, sie waren in der teils unrühmlichen deutschen Geschichte nicht selten treue Begleiter totalitärer Umwälzungen. Auch die braunhemdigen Schlägertrupps der SA waren damals tief davon überzeugt, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und im Dienste moralisch höherwertiger Aufträge die Menschheit ein Stückweit besser machen wollen. Diskurs und Wettstreit der Argumente waren angesichts der moralischen und epistemologischen Überlegenheit obsolet, gestritten wurde daher vorzugsweise mit Knüppeln, Geschrei und Hetze. Und es scheint, als feiere diese antidemokratische Unart izzo fröhliche Urstände.
Ähnliches muss hierzulande aktuell leider wieder in einem Besorgnis erregendem Ausmaß beobachtet werden, nämlich die körperliche Gewalt gegenüber dem politischen Gegner, die unter der Ägide faktischer Blockparteien aus dem rot-grün-schwarz-gelben Spektrum in Richtung mehr oder weniger fundamentaloppositioneller Parteien wie AFD oder BSW in Erscheinung tritt.
Die Gewalt gegenüber dem politischen Feind (nicht gegenüber dem Mitbewerber, wie es in einer tatsächlichen Demokratie der Fall wäre) üben zunehmend Kräfte aus dem „linken“ Spektrum aus, wobei links wohlweißlich von Anführungsstrichlein umklammert wird, da das, was sich heute selbstgefällig gerne als irgendwie links tituliert, eine Generation vorher noch als stockrechts gegolten hätte: Militarismus, Autoritarismus, Obrigkeits- und Regierungshörigkeit sowie ein intoleranter Absolutheitsanspruch mit persönlicher Ächtung Andersdenkender, also Hass, Hetze und Vernichtungswille, waren eher die Domänen Springerstiefel tragender Radikalinskis mit Kurzhaarfrisur, deren Rolle heute punkähnliche, flächentätowierte Piercingträger aus Reihen der AntiFa-SA einnehmen.
Absage aus Angst = Erfolg der Antidemokraten
Dass Demokratie vom Diskurs, vom Austausch auch gegensätzlicher Argumente lebt, sollte hinlänglich bekannt sein. Um so schlimmer, wenn ein solcher öffentlicher Austausch von Argumenten aus purer Angst vor der SA 2:0, pardon, vor linken Gewalttätern, abgesagt wird. So geschehen bei einer geplanten Podiumsdiskussion des Lübecker Migrationsforums, auf dem sich die hiesigen Bundestagskandidaten öffentlich austauschen sollten. Darunter auch die Kandidatin der AFD, was im aktuell aufgeheizten Klima angesichts des Brandmauerverbrechens der CDU aufseiten der Veranstalter wohl die Befürchtung gewalttätiger Ausschreitungen hervorrief. Um einem möglichen Lynchmob also kein Futter in Gestalt rechtskonservativer Politiker zu bieten, sagte man die Veranstaltung lieber ab.
Und damit haben die Vertreter von Unseredemokratie © unter der Reichs-Regenbogenflagge wieder ein Ziel erreicht, nämlich die Absage eines demokratischen Meinungsaustauschs. Den Veranstaltern von Sprungtuch e.V. sei ihrerseits ins Gästebuch geschrieben, dass sie mit der vorsorglichen Absage der Podiumsdiskussion nicht nur eine erschreckend geringe Meinung von der derzeitigen Verfasstheit der bundesdeutschen Demokratie gezeigt haben, sondern mit ihrer Kapitulation vor einem möglichen Mob den antidemokratischen Kräften auch noch kräftig in die Hände gespielt haben.