Erzählung „Die Exhumierung der Magda Fietich“ veröffentlicht

Endlich ist sie fertig, die schaurige Geschichte vom Totengräber, dem Totenheber und der nicht so ganz toten, aber trotzdem verwesten Leiche der Magda Fietich. Die Erzählung ist als Paperback (124 Seiten) bei Books On Demand erschienen und kann bei allen einschlägigen Buchhandlungen (online oder stationär) zum Preis von 8,99 Euro bestellt werden (ISBN-13: 9783757806392).   

Worum es geht:

Eine düsterer Friedhof, darauf zwei unheimliche Antagonisten: der Totengräber und der Totenheber. Es erfolgt die gespenstische Öffnung eines Grabes und die Exhumierung der Magda Fietich, von der noch vieles nicht gestorben ist. Dann die mystische Wandlung während eines außergewöhnlichen Rituals und ein in die Katastrophe führendes Resonanzsystem aus Schuld, Angst und dem rastlosen Bösen – denn mit Magda Fietich wird nicht nur ein Leichnam aus dem Grab gehoben, sondern mit ihm auch die konturlosen Dämonen aus dem Bodensatz eines langen Lebens. Die Exhumierung der Magda Fietich mag auf den ersten Blick als fantastische Fabel daherkommen, doch bei genauerem Hinsehen wird mit dem Grab nicht nur der Zugang zu einem verwesten Leichnam, sondern auch zum verschütteten Seeleben der Protagonisten eröffnet.

Die Erzählung gliedert sich in drei Abschnitte:

  1. Die Exhumierung der Magda Fietich: Haupthandlung, Ort + Zeit: Friedhof, früher 
  2. Das Gespenst: kurzes Intermezzo, Ort + Zeit: Friedhof: ein paar Jahrzehnte später
  3. Magdas Martyrium : Anschlussgeschichte, Nexus zu heute, Ort + Zeit: Lübeck-Buntekuh, heute

Aus dem Klappentext:

Ein düsterer Friedhof, darauf zwei unheimliche Antagonisten: der Totengräber und der Totenheber. Es erfolgt die gespenstische Öffnung eines Grabes und die Exhumierung der Magda Fietich, von der vieles noch nicht gestorben ist. 

Dann die mystische Wandlung während eines außergewöhnlichen Rituals in der alten Kapelle und ein in die Katastrophe führendes Resonanzsystem aus Schuld, Angst und dem rastlosen Bösen. Denn mit Magda Fietich wird nicht nur ein Leichnam aus dem Grab gehoben, sondern mit ihm auch die konturlosen Dämonen aus dem Bodensatz eines verzweifelten Lebens. 

Die Exhumierung der Magda Fietich mag auf den ersten Blick als fantastische Fabel daherkommen, doch bei genauerem Hinsehen wird mit dem Grab nicht nur der Zugang zu einem verwesten Leichnam, sondern auch zum verschütteten Seeleben der Protagonisten eröffnet.  

Die Erzählung gliedert sich in drei Teile. Neben der eigentlichen Exhumierung wirkt im kurzen Intermezzo „Das Gespenst“ nicht nur das grauenerregende Ritual fort, sondern auch die unheilvolle Energie des mittlerweile riesig gewordenen Friedhofs, der zu einem gespenstischen Eigenleben erwacht ist. „Magdas Martyrium“ versetzt die mystische Geschichte in die Gegenwart der Hansestadt Lübeck, in der sich das Grauen vergangener Jahrhunderte beinahe nahtlos im Alltag einer durchschnittlichen Familie im schönen Stadtteil Sankt Jürgen fortsetzt.

Textauszug:

(…)

Der Weg vom Grab zur Kapelle war bei Lichte besehen nicht allzu weit, im grauen Nebel dieses regnerischen Tages aber weit genug, um vom Grab aus die Kapelle schon beinahe nicht mehr erkennen zu können. Ihre Konturen schälten sich erst nach zwanzig, dreißig Metern aus dem herbstlichen Trübsal heraus, was für die Teilnehmer der kleine Prozession jedoch keine Rolle spielte, da ihre Aufmerksamkeit einzig und allein der Fracht auf der Rollbahre galt. Endlich an der Kapelle angelangt, öffneten die Gehilfen das Portal, anschließend verschwand die Prozession im Inneren des gotischen Häuschens, woraufhin sich die schwere Tür mit ihren kunstvoll gelegten Intarsien wie von alleine wieder schloss. Nur das leichte Plätschern des Regens durchbrach die einkehrende Stille.

Die Friedhofskapelle mochte auf viele Besucher sehr bedrohlich oder gar abweisend wirken, war jedoch ein recht kleines Gebäude mit einem spitz zulaufenden Türmchen, dessen zerbrechlich-filigrane Konstruktion aufgrund einer hochgradig geschickt ausgeführten Statik zwei tonnenschwere Glocken zugleich zu tragen vermochte. Trotz seiner kleinen Abmessungen wurde nicht auf die Andeutung eines Strebewerks verzichtet, das die wenigen Glasfenster weitgehend verdeckte und dem kleinen Gebäude mit seinen zahllosen Fialen, Wasserspeiern und sonstigen Verzierungen ein beinahe verspieltes, ja geradezu märchenhaftes Erscheinungsbild verlieh.


Die Kapelle war sehr alt, errichtet wurde sie weit bevor man sich dazu entschlossen hatte, einen funktionstüchtigen Friedhof um sie herum anzulegen. In der grauen Vorzeit nämlich hatte man die Toten in einem entfernten Wäldchen bestattet, häufig nur in notdürftig ausgehobenen Löchern oder Gruben verscharrt, so dass ihre fahlen, teils von Fäulnis zerschlissenen Gesichter vor allem nach starken Regengüssen im Matsch und unter Pfützen viel zu oft zum Vorschein gekommen waren. Häufig wurden spielende Kinder von den Toten in ihren Bann gezogen, denn viele waren die Nachkommen der Verscharrten, deren Seelen sich nicht immer bereit für den Übergang in die ewige Ruhe wähnten und begierig danach strebten, das ein oder andere Unerledigte noch zu irgendeiner Art von Abschluss zu bringen oder einfach nur, um ohne lebenden Körper in ätherischen Kontakt mit den lebenden Nachfahren zu treten.

Diesen selbst für die damaligen Verhältnisse überaus groben Unzulänglichkeiten des altertümlichen Bestattungswesens war es also zu verdanken, dass die Toten den dörflichen Frieden zu stören begannen, indem sie in die Welt der Lebenden eindrangen und zu ihren Seelen durchzudringen versuchten. Nachdem erst viele Kinder, dann auch Erwachsene und Alte unter Alpträumen und unsichtbaren Stimmen gelitten, immer mehr Leute über unerklärliche Erscheinungen geklagt und unsichtbare, eindringlich klagende Stimmen gehört hatten, nachdem dazu besonders viele Fälle unbekannter degenerativer Krankheiten sowie auch immer mehr hässlich missgebildete Fehl- und Halbgeburten zu beklagen gewesen waren, wurde nach ausgiebiger Beratschlagung im Kreise des örtlichen Klerus beschlossen, einen amtlichen Friedhof mit ausreichend tiefen und vor allem geweihten Gräbern rund um die kleine Kapelle anzulegen, der alle Voraussetzungen dafür bot, die Ruhe der Toten – und damit auch die der Lebenden – für immer und ewig zu gewährleisten. Dies war eine überaus wichtige Erfahrung, die man andernorts mit der ordnungsgemäßen Bestattung der Toten und dem daran gekoppelten Frieden der Lebenden gemacht hatte, und dies war auch die Zeit, in der der Beruf des Totengräbers entstanden war, der durch sein ausgefeiltes Handwerk dafür zu sorgen hatte, die Totenruhe, die Himmelfahrt ihrer Seelen und damit die Ruhe der Lebenden im Dorf zu gewährleisten.

Nach dem Anlegen des Friedhofs wurde die Kapelle zur immerwährenden Totenkapelle geweiht. Fortan stand sie also, auf ewig umgewidmet zu einer düsteren, unheilvollen und traurigen Aufgabe, für immer inmitten eines immer größer werdenden Feldes voller Gräber und Gruften. Hatte die Kapelle zuvor noch vielen heiteren, freudvollen Zeremonien wie Taufen, fröhlichen Eucharistiefeiern, hoffnungsvollen Gebeten oder sogar Trauungen gedient, war ihre Bestimmung von da an die einer Herberge für Tote auf ihrem letzen Weg in ihre Gräber. Nur noch Hader, Trauer, Schmerz und Hoffnungslosigkeit gingen in den folgenden Jahrhunderten in ihr ein und aus, kein fröhliches Lachen mehr erhellte ihr Gemäuer und nichts Frohes mehr konnte den Steinen die Zuversicht geben, ihre unheilvolle Bestimmung jemals wieder ablegen zu dürfen. Auf ihren Boden ergossen sich nur noch die Tränen Trauernder, und anstelle eines glockenhellen liturgischen Gesangs froher Botschaften füllten ihren kleinen Chor von da an nur noch die fauligen Ausdünstungen der Toten und das heisere Wehklagen der Hinterbliebenen aus. Und so begann die Kapelle, sich zu verändern. Erst legte sich ein rußiger Schleier über die kleinen bunten Fenster, die sich alsbald immer weiter in ein dunkles Grau färbten. Zeitgleich breiteten sich schwarze Flecken auf den Steinen des Gemäuers aus, die sich wie parasitäre Flechten immer weiter ausdehnten, anwuchsen und anschwollen, bis sie keinem Strahl Licht mehr das Reflektieren erlaubten und jeden Schall verschluckten. Und wer er es trotz tiefer Trauer einmal wagte, sein kummervoll gesenktes Haupt aufzurichten und nach oben zu blicken, konnte feststellen, wie sich die vormals bogenförmigen Streben des Gewölbes zu einem knöchrigen Geäst verdichtet hatten, das in jeder Sekunde unter der Last des Gewölbes wie aber auch unter der permanenten Last von Trauer und Schmerz zusammenzubrechen drohte. Kaum eine Lampe hatte mehr die Chance, geschweige denn die nötige Kraft zu leuchten und keine Tonquelle konnte mehr einen anderen Klang formen, als das heisere Lamento erstorbenen Lebens. Auch über die beiden großen Glocken im Türmchen legte sich im Laufe der durchtrauerten Jahrhunderte in vielen Schichten ein pechartiger Belag, der anstelle des vormals erhabenen Geläuts nur noch ein dumpfes, tonloses, aber dennoch ein jedes Mark erschütterndes Wehgebrüll erschallen ließ. Die Kapelle hatte sich damit in einen Tempel des Todes verwandelt. Eine düstere Transformation, die noch lange keine Ende finden konnte, denn jeder weitere Tote, der in ihrem Inneren aufgebahrt und beweint wurde, verlieh ihrer tragischen Verwandlung einen weiteren Anschub. Nur der Totenheber hatte eine vage Ahnung von dem unermesslichen Grauen, das tief im Schiff der kleinen Kapelle darin begriffen war, sich herauszubilden, eine konkrete Gestalt anzunehmen und sich mit Tatkraft auszurüsten, und das in gewisser Weise als Kehrseite dieser Form des Bestattungswesens eines nicht mehr allzu fernen Tages mit aller tödlichen Gewalt und Wucht auf die Bevölkerung des Dorfes zurückschlagen würde.

(…)

Umschlaggestaltung und Illustrationen: Frank Spatzier.