Hersh, die Zweite: Scholz

Nun hat er nachgelegt: Nachdem neue Enthüllungen über die Nord Stream-Sprengung die Runde durch die Leitmedien gemacht hatten und Olaf Schulz zuvor für ein 80-minütiges Gespräch mit Joe Biden mal eben über den Atlantik gejettet war, folgte nun eine ergänzende Einordnung durch den Investigativjournalisten Seymour Hersh.

Ablenkungsmanöver

Bei der Suche nach der Urheberschaft der Attentate auf die kritische Infrastruktur Deutschlands tappten beteiligte Ermittlungsbehörden bislang im Dunkeln. Nichts Genaues wusste man, wollte man wissen oder gab vor, zu wissen. Oder falls man etwas wusste, sollte es weder Öffentlichkeit noch Legislative erfahren. Raum für jede Menge Mutmaßungen also, den die kriminalistische Frage nach dem Cui Bono zumindest mit Plausibilitäten füllen sollte.

Und dabei gerieten die USA an die erste Stelle, schließlich profitierten sie nicht nur in geostrategischer, sondern auch wirtschaftlicher Hinsicht. Jedenfalls läuft das Geschäft mit teurem LNG-Gas Marke USA blendend – zumindest für die Lieferanten. Eine nicht unwesentliche Folge der so erzwungenen Umstrukturierung des deutschen Energiesektors war allerdings eine massive Verteuerung der Energiekosten für Bevölkerung und Wirtschaft, die einen beachtlichen Druck auf die verantwortliche Ampelregierung ausübte. Diese reagierte mit insbesondere für künftige Generationen sehr teueren Entlastungsprogrammen und der üblichen Dauerpropaganda von der Bedeutung erneuerbarer Energieträger sowie der Notwendigkeit einer energiepolitischen Unabhängigkeit vom Reich des Bösen, Russland.

Doch abseits aller Spekulationen gibt es auch handfeste Tatsachen, wie etwa die schon fast legendär zu nennende Aussage von Joe Biden am 7. Februar 2022, vor laufenden Kameras und im Beisein eines bedröppelt dreinschauenden Olaf Scholz, man werde nötigenfalls Mittel und Weg finden, Nord Stream zu stoppen. Auch zählen die USA zum erlesenen Kreis jener Staaten, die technologisch und personell überhaupt die Fähigkeit besitzen, ein solches Manöver im engmaschig überwachten Brackwasser der Ostsee durchzuführen. Auch verfügen die USA über entsprechende Mittel, Macht und Vernetzungen, um verbündete Regierungen im räumlichen Umfeld der Aktion einweihen und beteiligen zu können. Nicht zu vergessen auch die Potenz der US-Geheimdienste im Streuen und Prozessieren von Informationen.

Alles in allem stehen die USA ganz oben auf der Liste der Verdächtigen, was besonders brisant ist, da es sich hier immerhin um einen kriegerischen Akt gegen einen verbündeten Staat mit erheblichen Auswirkungen auf dessen Bevölkerung und Wirtschaft handeln würde. Wären die USA also tatsächlich die Täter, läge es in ihrem ureigenen Interesse, jeden Verdacht zu zerstreuen – insbesondere nach den Enthüllungen der Journalistenlegende Seymour Hersh.

Die Nachtigall trapst

Nun bieten die Ereignisse im Anschluss an die erste Hersh-Veröffentlichung viel Raum für Sonderbares: Da war zunächst die konzertierte Diskreditierung Hershs in den deutschen Leitmedien. Die Journalistenlegende war plötzlich nur noch ein umstrittener Blogger, der sich zudem bloß auf eine anonyme Quelle bezogen hatte. Ein naheliegendes Verfahren beim Anzapfen verdeckter Kontakte in Geheimdienstkreisen, das plötzlich zum Beleg für fehlende Seriosität wurde. Die mediale Abwehrhaltung war so verkrampft, dass eine Absicht durchzuschimmern schien: Die USA, unsere lieben und moralisch untadeligen Verbündeten, die Anführerin des freien Westens, können / dürfen es auf keinen Fall gewesen sein!

Am 3. März folgte der durchaus untypische Besuch von Olaf Scholz bei Joe Biden, der ohne Berater oder sonstiges Personal stattfand und so Anlass für weitere Spekulationen war. Ein deutscher Kanzler, der für einen anderthalbstündigen Rapport beim US-Präsidenten mal eben über den Atlantik fliegt, bewegt sich nicht gerade im politischen Alltagsgeschäft.

Als wenige Tage später, am 7. März, die Meldung von neuen Erkenntnissen aus „US-Geheimdiestkreisen“ die Runde machte, die eine dubiose 6-köpfige Gruppe pro-ukrainischer Aktivisten als Täter der Nord Stream-Sprengung nannte, die dieses technisch hochkomplexe Manöver noch dazu in einer kaum nachvollziehbaren Weise durchgeführt haben sollte, erschienen die davor liegenden Ereignisse plötzlich in einem anderen Licht.

Bemerkenswert war nicht nur das Timing der Meldung, sondern auch, dass sie trotz einer sensiblen Quellenbasis von New York Times und Zeit annähernd gleichzeitig veröffentlicht wurde – ein Indiz für das gezielte Lancieren einer Nachricht. Nicht weniger auffällig war das laute Schweigen all der Faktenchecker und sonstiger Journalismusexperten, die an dieser Meldung unisono plötzlich nichts zu bekritteln hatten.

Das alles sind natürlich keine Belege für eine wie auch immer geartete Faktenlage, aber interessante Hinweise und Indizien, die den ohnehin bestehenden Anfangsverdacht zu unterfüttern scheinen. Schließlich zählt das Streuen einer Cover-Up-Story im internationalen Medienraum, und überhaupt das Durchführen von Desinformationskampagnen, zum Aufgabenbereich potenter Geheimdienste. Und dann kam Hersh, die Zweite.

Landesverräter Scholz?

Unter Bezugnahme eine anonyme Quelle mit Zugang zu diplomatischen Geheimdienstinformationen bezieht sich Hersh nun auf den Inhalt des geheimen Gesprächs zwischen Biden und Scholz am 3. März. Biden habe Scholz über die geheimdienstlichen Beratungen zum Pipeline-Exposé informiert, die zum Ergebnis gehabt hätten, eine alternative Titelstory zu lancieren. Biden habe angekündigt, damit das (Medien-)System zu pulsieren („to pulse the System„), um von den USA als Täterin abzulenken.

Hersh bezichtigt Scholz des Weiteren, unabhängig von seinem tatsächlichen Wissenstand an der Vertuschung des Anschlags beteiligt gewesen zu sein: „An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass Bundeskanzler Scholz – unabhängig davon, ob er im Voraus über die Zerstörung der Pipeline informiert war oder nicht – seit letztem Herbst eindeutig an der Unterstützung der Vertuschung der Operation der Biden-Regierung in der Ostsee beteiligt war.“ (Übersetzung des Hersh-Artikels auf Anti-Spiegel).

Bleibt noch immer darauf hinzuweisen, dass es sich hier weder um Beweismaterial noch um verifizierte Aussagen amtlicher Quellen handelt. Nicht zuletzt wegen der – an sich bereits sehr verdächtigen – Informationspolitik der ermittelnden staatlichen Behörden und des Verhaltens der Leitmedien bleibt auch weiterhin nur Platz für Spekulationen und Plausibilitäten. Denn träfen Hershs Verlautbarungen zu, bewegte sich Olaf Scholz im Bereich des Landesverrats.

Mit Blick auf das politische Gebaren des Olaf Scholz erscheint letzteres in gewisser Hinsicht als durchaus plausibel. Seine „Vergesslichkeit“, seine Vertuschungstaktik in Sachen Cum-Ex- und Wirecard-Affäre, seine „Meinungsänderung“ in der Impfpflichtdebatte und seine devote Haltung gegenüber der Biden-Administration lassen es zumindest als möglich erscheinen, dass Scholz die Interessen Deutschlands zugunsten jener der USA ganz weit hintanstellt.

Ein Bundeskanzler als Landesverräter? Schaut man auf diese „dümmste Regierung Europas“ (Oscar Lafontaine), auf ihre bedingungslose bis hündisch-servile Unterstützung der US-amerikanischen Geopolitik und all die Einbußen und Nachteile, die sie der deutschen Bevölkerung zumutet, läge selbst ein Landesverrat durch einen Bundeskanzler im Bereich des Plausiblen. Würde Scholz morgen unter Eid aussagen müssen, was er mit Biden besprochen hat, er hätte er sicher schon vergessen. Wetten?

Titelfoto: pixabay.com; eigene Verfremdung