Das Kreuz mit dem Kreuz

Am 14. Mai ist Kommunalwahl in Lübeck. Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren, die Stadt ist vollgepflastert mit Plakaten. Doch wen wählen? Schließlich färbt die Bundespolitik auch auf die kommunale Ebene ab. Dort stellen sich Repräsentanten ebenjener Parteien zur Wahl, die von Berlin aus die kriegerische Zeitenwende vorantreiben, sich als Exekutoren der US-amerikanischen Außenpolitik begreifen, eine nie dagewesene Energiekrise zu verschulden haben oder aus ideologischen Gründen das Leben für immer Menschen immer teurer machen, während sie gleichzeitig Milliarden an Steuergeldern für den Krieg in der Ukraine verpulvern.

Es sind Vertreter derselben Parteien, die eine eklatante Wohnungsnot zu verantworten haben, Kommunen mit den gewaltigen Herausforderungen stark anwachsender Migration und Flucht alleine lassen oder es auf Landesebene unterlassen haben, das Schulsystem personell in ausreichendem Maße auszustatten. Es dürfte schwer fallen, im kommunalen Bereich den Vertretern genau jener Parteien zu vertrauen, die auf Bundesebene zurzeit die „dümmste Regierung Europas“ (Oskar Lafontaine) bilden und auf vielen Politikbereichen eine mehr als klägliche Figur abgeben.  

Lustig, gelogen, auf jeden Fall aber dreist ist in diesem Zusammenhang ein Großplakat der SPD, auf dem allen Ernstes behauptet wird, die „Soziale Politik“ der Partei hieße auch „bezahlbare Energie“ für den Bürger. War die SPD nicht maßgeblich an der Herbeiführung der Energiekrise und den exorbitant hohen Energiepreisen mitbeteiligt?

Ansonsten glänzen die Wahlplakate mit den altbekannten Nullphrasen der Art: „CDU: Auch mit uns hat ein Dreieck drei Seiten / der Tag 24 Stunden / die Wurst zwei Enden / etc.„…

Und dann wäre da noch die Cornakrise…

Jetzt, im beginnenden Frühling, erinnert auch in Lübeck nicht mehr viel an die Coronazeit. Kaum vorstellbar, dass es kaum zweienhalb Jahre her ist, als im Freien Masken getragen werden mussten, der Einzelhandel sowie Kultur- und Freizeitbetriebe massiv eingeschränkt, Schulen geschlossen und sogar Spielplätze abgesperrt worden waren. Ebenso kaum mehr vorstellbar ist, dass auch in Lübeck Menschen aufgrund körperlicher Merkmale die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt wurde.

Die Diskriminierung „Ungeimpfter“ nahm auch in der Hansestadt beachtliche Ausmaße an, per amtlichem Erlass wurde einer Minderheit der Zugang zu Restaurants, Kulturbetrieben, dem ÖPNV oder sogar dem Weihnachtsmarkt verboten. Hinzu kamen Betretungsverbote, Abstandsregeln, Kontaktverbote und vieles mehr aus dem Arsenal grundrechtseinschränkender Maßnahmen aus dem Notstands- und Kriegsrecht.

Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) hatte es damals vermehrt in den Fingern gejuckt, eine nächtliche Ausgangssperre zu verhängen – die Freiheitsrechte der Lübecker Bürger also nahezu bis zum Letzten zu begrenzen. Dazu war es zum Glück nicht gekommen. Doch bis heute bleibt kaum fassbar, in welchem Ausmaß und mit welcher spielerischen Leichtfertigkeit auch Lübecker Kommunalpolitiker bereit waren, die verfassungsmäßigen Grund- und Freiheitsrechte rigoros zu suspendieren, Bürger zu diskriminieren und zu gängeln – mit anderen Worten also den Geist des Grundgesetzes in die Tonne zu treten.

Grundrechtseingriffe, die um so schwerwiegender und verfassungswidriger waren, als sie schon damals kaum eine belastbare Evidenzgrundlage besessen hatten. Dies wird besonders in letzter Zeit immer deutlicher, da sich die epidemiologische Unsinnigkeit vieler Maßnahmen nimmer deutlicher herausstellt und auch von den damals Verantwortlichen nicht mehr geleugnet werden kann. Ähnlich verhält es sich mit den lobpreisenden Aussagen bezüglich der „Impfung“, von denen sich die meisten nach und nach als haltlos herausgestellt haben – allen voran die Lüge vom angeblichen Fremdschutz per mRNA-Injektion, die die Grundlage der behördlich angeordneten (und auch privat-mitläuferischen) Diskriminierung tausender Menschen war.

Auch Lindenau hatte die „Impfung“ damals – ungeachtet aller ethischen, gesundheitlichen und grundrechtlichen Fragen – als einzigen Ausweg aus den massiven Freiheitsbeschränkungen zur Infektionsabwehr erachtet und so indirekt den propagandistischen Weg zur Diskriminierung einer Minderheit geebnet, die lediglich auf ihr Grundrecht auf körperliche Selbstbestimmung verwiesen hatte. Ob es Naivität, Leichtgläubigkeit, Konformismus oder Gleichgültigkeit war anzunehmen, die im Eiltempo aus dem Boden gestampften mRNA-Substanzen von Pfizer & Co. seien völlig harmlos und ohne Neben- oder Langzeitwirkungen, werden wir wohl nicht erfahren. Auf jeden Fall dürften Rechtfertigungen der Art, man habe es ja nicht besser wissen können, mehr als unzureichend sein. Schließlich gab es bereits Mitte 2020 genügend kritische Stimmen, die man jedoch nicht hören wollte und aus dem Diskurs verbannt hatte.

„Mir ist bewusst, dass die immer wiederkehrenden Regelungen und Einschränkungen uns allen viel abverlangen. Bis eine Großzahl an Menschen geimpft ist, bleiben uns leider kaum andere Alternativen. Damit uns erste Schritte in Richtung einer Lockerung wie zum Beispiel im Einzelhandel dauerhaft erhalten bleiben können, müssen wir uns alle weiterhin diszipliniert und einsichtig verhalten. Die Pandemie ist nach wie vor gegenwärtig, auch in Lübeck. Wenn wir uns aber weiterhin an die Abstands- und Hygieneregeln halten, eine Maske tragen, uns testen lassen, bevor wir uns mit Anderen treffen und uns bemühen, unsere Kontakte auf das Notwendigste zu beschränken, vergrößert sich unsere Chance, hoffentlich bald wieder unbeschwerte Tage zu erleben. Ich danke allen Lübecker:innen, die sich vorbildlich an die Regeln halten. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für unser aller Gemeinwohl.“

Jan Lindenau, zit. n. Travemünde Aktuell v. 10.04.2021, eigene Hervorhebung

Während die Forderungen nach einer Aufarbeitung der Coronakrise samt des mit ihr verbundenen Unrechts vonseiten der Opfer, der Mahner und aufmerksamer Citoyens immer lauter werden, bleiben ihnen die damals Verantwortlichen diesen demokratischen Dienst schuldig. Nicht einmal die einfache Bitte um Entschuldigung ist zu vernehmen, vielerorts ist man einfach zur Tagesordnung übergegangen, als ob nie etwas gewesen sei.

In Sachen Kommunalwahl muss also stets im Hinterkopf behalten werden, dass nicht wenige derer, die um die Wählergunst buhlen, übergriffige und diskriminierende Coronamaßnahmen auch in Lübeck mit durchzusetzen geholfen haben, in gewisser Weise also Täter und deren Helfershelfer waren. Ob man diesen Leuten noch ein Minimum an politischem Vertrauen schenken kann?

Personalrochade

Glaubt man dem Kieler Kognitionspsychologen Rainer Mausfeldt, dient die repräsentative Demokratie der Blockade echter partizipatorischer Teilhabeformen der Bürger, indem das tatsächlich wählbare Spektrum parteipolitischer Positionen keine echte Alternative zur bestehenden Herrschaftsform zulässt: „Mit dem Mechanismus der parlamentarischen Repräsentation lässt sich dies bewerkstelligen, da zwar die parlamentarischen „Volksvertreter” abgewählt werden können, jedoch nur durch andere Mitglieder aus dem Spektrum vorgegebener Elitegruppierungen ersetzt werden können.“ (Mausfeldt: Die Wahrheit über die Demokratie, in: Rubikon.news).

Insofern macht es denn auch kaum einen Unterschied, in welcher der Parteien das politische Personal Ämter und Mandate ausübt. So war beispielsweise Thorsten Fürter erst Mitglied der FDP, wechselte dann zu den Grünen, brachte es dort bis zum Vorsitzenden, lief 2021 wieder zur FDP über, für die er heute kandidiert. Seine Ehefrau Michelle Aykurt war vormals auch ein bekanntes Gesicht der Lübecker Grünen, ist aber aktuell auf den Wahlplakaten der CDU zu sehen. Interessant an dieser Personalrochade zwischen den Parteien ist, dass es sich nicht um subalterne Positionen, sondern um öffentlichkeitsrelevantes Führungspersonal handelt.

Was hier ein wenig nach Beliebigkeit aussieht, verdeutlicht fast schon lehrbuchhaft die herrschaftssichernde Funktion des Parteiensystems und der repräsentativen Demokratie. Die Frage indes, an welcher Stelle man sein Kreuz am 14. Mai positionieren solle, beantwortet sich nach alledem auch nicht leichter. Eher lässt sich bestimmen, wem man es tunlichst nicht geben sollte. Es ist halt eben ein Kreuz mit dem Kreuz.

Fotos: fs