Rekordverdächtig: Seit Anfang Februar 2022 darf das Naherholungsgebiet an der Wakenitz nicht mehr betreten werden. Seit über vier Monaten halten massive Bauzäune Spaziergänger vom Lustwandeln ab, denn es herrscht Lebensgefahr. Jawohl, nichts Geringeres als der Tod höchstpersönlich lauert fernab von Autos, Drogendealern, Verkehrslärm und Baustellen im unverdächtigen Grün. Schon ein kurzer Gang entlang des idyllischen Flüsschens könnte einem naiven Bürger das Lebenslicht auspusten oder ihn – ein wenig Glück oder gutes Karma vorausgesetzt – wenigstens in einen Krüppel verwandeln.
Das jedenfalls suggerieren bedrohliche Warnschilder, die in ihrem rot-schwarzen Alarmismus an unselige Coronazeiten erinnern, als mit Flatterbändern und diabolischen Piktogrammen („Abstand!“) der freie Wille des Bürgers auf ein behördlich vorgegebenes Minimalmaß zurechtgestutzt wurde. Corona macht zurzeit zwar Pause, aber die Lust am Absperren und Verbieten ist noch immer ungebrochen. Seit vier Monaten also wird diese Schokoladenseite der Hansestadt zur No-Go-Area erklärt, aber das natürlich nur zum Besten der Bürger.
Denn als Sturmtief Nadia Ende Januar 2022 durch Lübeck wehte, wurden auch einige Bäume entlang der Wakenitz in Mitleidenschaft gezogen. Nun kann tückisches Astwerk arglosen Passanten zumindest solange auf die Köpfe fallen, bis der Bereich Stadtgrün und Verkehr die Bäume repariert und Sicherheit wiederhergestellt hat. Doch das kann offensichtlich lange dauern. Sehr, sehr lange. Und bis es soweit ist, lässt sich auch prima entlang der lärmigen Magistralen promenieren.
Doch dort, so müsste es jedem pflichtbewussten Behördenmitarbeiter dämmern, lauern ganz andere und viel handfestere Gefahren. Man kann an- und überfahren oder an- und überfallen werden; E-Scooter erweisen sich häufig als veritable Dumm-dumm-Geschosse und dank omnipräsenter Handys findet Mobilität zunehmend im Blindflug statt. Verkehrsschilder animieren mitten auf Radwegen zu Kollisionen und im Winter lässt der Bürgermeister eher den öffentlichen Raum von Ungeimpften räumen als vereiste Geh- und Radwege vom Schnere. Kurzum, der Aufenthalt im städtischen Lübeck ist lebensgefährlich. Man müsste die ganze Stadt sperren zur Sicherheit ihrer Einwohner.
Alberner Gedanke? Nicht so ganz. Erinnern wir uns an den Dezember 2020, als Bürgermeister Jan Lindenau unbedingt eine nächtliche Ausgangssperre verhängen wollte, um seine unmündigen Bürger vor Corona und sich selbst zu schützen. Ganz fickrig war der brave Sozialdemokrat geworden, weil er wenigstes einmal im Leben den großen Diktator spielen wollte. Doch was nicht ist, kann ja noch werden: Vielleicht ist der abgesperrte Wakenitzweg ja nur ein ein erster Vorgeschmack auf den kommenden Herbst, wenn die Stadtoberen wieder in den Chinamodus schalten und sabbernd eine Allgemeinverfügung nach der nächsten ans Domportal nageln. Bis dahin darf die Wakenitz noch gerne abgesperrt bleiben – bevor noch jemand hineinfällt und mit Corona ertrinkt…