Der infantile Jubel der Kriegstreiber war unüberhörbar. Endlich wurden sie befreit, die Leoparden. Tatsächlich hat sich Deutschland einmal mehr zum Büttel der USA gemacht und nicht nur den Stellvertreterkrieg tatkräftig eskaliert, sondern auch der US-Rüstungsindustrie den Weg nach Europa geebnet.
The Leopard’s freed!
Nun also doch: Nach „zögerlichem“ Hin und Her des Kanzlers gab die Bundesregierung nun grünes Licht für die Entsendung von zunächst einer Kompanie (14) Leopard-Kampfpanzern und damit schwerer Offensivwaffen an die Ukraine. Im Vorfeld hatte vor allem die polnische Regierung die Rolle des Kampfhundes eingenommen und die Bundesregierung mit der Bitte um Zustimmung für den Export der deutschen Tötungsmaschinen unter Druck gesetzt. Aber auch Großbritannien und Lettland hatten fleißig mitgeschoben, um der Bundesregierung den aus ihrer Sicht nötigen Stoß in die Richtung Eskalation zu versetzen.
Wie nicht anders zu erwarten, knickte Kanzler Scholz vor seinem Souverän aus Übersee und dessen Kettenhunden ein und exekutierte willfährig die Anweisungen aus dem Pentagon und Kiew. Nachdem taktisch-theatralischen Zögern des Kanzlers, das die mangelnde außen- und sicherheitspolitische Souveränität der BRD lediglich kaschieren sollte, folgte eine geradezu rauschhafte Kriegseuphorie, die Assoziationen an 1914 wachwerden ließ. Die grüne BT-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckart konnte ihrer Verzückung nicht Einhalt gebieten und entblödete sich via Twitter mit dem erschreckend einfältigen Ausruf: „The #Leopard’s freed„. Ebenso jubelten die übrigen Kriegsbefürworter aus den Reihen von Politik und Medien, allen voran die skrupellose Waffenlobbyistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), ihr fanatischer Parteikollege und Stiefellecker Marcus Faber, der grüne Möchtegern-Panzerschütze Anton Hofreiter und viel zu viele mehr.
Eskalations Marathon
Es wäre müßig, sämtliche Eskalationsrunden des Ukrainekrieges zählen zu wollen. Nach dem Ausrufen der sogenannten Zeitenwende durch Kanzler Scholz warf die neue Bundesregierung einen außen- und sicherheitspolitischen Grundsatz nach dem anderen über Bord, während die Koalitionsparteien inclusive eines Großteils der „Opposition“ zu strammen Militaristen mutierten. Vorbei war’s mit der Entspannungs- und Ostpolitik, dem Vermächtnis von Willy Brandt, Egon Bahr oder Erhard Eppler und dem Verbot von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete – die Ampelregierung wollte großspurig internationale Verantwortung übernehmen und ließ sich daher von der US-Administration devot an die kurze Leine legen. Es begann die Zeit massiver Aufrüstung und Militarisierung, Scholz posierte freudig vor Panzern, Krieg wurde wieder sexy.
Angepeitscht von transatlantisch-aktivistischen Medien, wohlmeinenden Verbündeten und dem ewig fordernden Bettelgeschrei rechtsnationaler ukrainischer Politiker kippten die Ampelmännchen und -frauchen um wie Dominosteine. Aus Helmen wurden Schützenpanzer und Luftabwehrsysteme, jetzt sind es schwere Kampfpanzer und morgen dann Kampfjets, Kriegsschiffe und Bodentruppen? Entsprechende Forderungen aus Kiew waren bereits zu vernehmen, Frankreich, die Niederlande und SPD-Vorsitzende Saskia Eskien signalisierten prompt ihre Bereitschaft zur weiteren militärischen Eskalation, während sich die USA aus gutem Grund vorsichtig verhalten. Zumindest derzeit.
Die in die Ecke gedrängte Atommacht Russland schaut derweil mit wachsender Verärgerung zu. Sie schaut auf eine Kette von Provokationen des Westens, die seit dem Maidan-Putsch von 2014 das politische Geschehen in der strategisch wichtigen Schwarzmeerregion bestimmen. Provokationen, die in der massiven Aufrüstung der Ukraine zu einer der stärksten europäischen Streitkräfte auf NATO-Standard und der Missachtung der Abkommen von Minsk gipfelten und schließlich kriegsauslösend wurden – denn der Krieg hätte Anfang 2022 durch Verhandlungsbereitschaft und Einlenken des Westens durchaus noch gestoppt werden können. Das ändert zwar nichts an der Verantwortung Russlands für einen völkerrechtswidrigen Einmarsch, beleuchtet aber auch die Mitverantwortung des US-geführten Westens, der geradezu gezielt auf die russische Entgleisung hingearbeitet hatte.
Doch zurück zu den Kampfpanzern. Entgegen aller wohlfeil-beschwichtigenden Begründungen hiesiger Politiker, weshalb Deutschland eben keine Kriegspartei sei, findet die Beantwortung dieser entscheidenden Frage ausschließlich im Kreml und nirgendwo sonst statt. Und dort neigt man zu einer realistischen Sicht der Dinge und nennt die Dinge beim Namen. Gewiss hat auch Russland kein Interesse an einem Atomkrieg, ja nicht eimal an der flächendeckenden Zerstörung der Ukraine. Doch die andauernde Eskalation der NATO-Staaten, das Pumpen immer weiterer und tödlicherer Waffen in die Ukraine, wird fraglos Auswirkungen auf die Strategie des russischen Militärs haben, das bislang nur mit vergleichsweise kleinem Besteck operiert. Die Hemmschwelle zum Einsatz taktischer Nuklearwaffen dürfte jedoch antiproportional zur jeweiligen Eskalationsstufe sinken. Und so steht die Welt Anfang 2023 so nah am Beginn eines Atomkrieges, wie noch nie.
Panzerballett
Eine Führungsrolle in der Welt zu übernehmen, ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. De facto ist damit nichts anderes gemeint, als die noch tiefere Unterwerfung unter die globale Führungsrolle der USA. Gut erkennbar ist dieser Umstand am hündischen Agieren von Außenministerin Baerbock, die die außenpolitische Agenda der USA eins zu eins nachplappert und in aggressiv-übererfüllender Weise umsetzt. Unvergessen auch ein von Joe Biden gedemütigter Kanzler Scholz, der vor laufenden Kameras und unter Androhung der Zerstörung von Gaspipelines den Befehl zur Neuorganisation der deutschen Energieversorgung entgegennehmen musste – ein Meisterstück der politischen Kommunikation, das den Regierungschef einer „führenden Nation“ vor aller Welt auf seinen ihm zugedachten Platz am Katzentisch verwies. Dass bis heute keine Erkenntnisse über die Urheber der Anschläge auf Nord Stream 2 vorliegen und die Bundesregierung selbst auf Anfrage von Parlamentariern beharrlich schweigt, unterstreicht diesen Umsand: Deutschland ist ein Vasallenstaat der USA mit erheblich eingeschränkter Souveränität.
In diesem Kontext ist auch Scholz‘ „Zögern“ in der Frage der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern zu deuten. Nachdem die USA alle westlichen Kriegsteilnehmer zum Rapport in die Ramstein Airforce Base auf pfälzischen US-Boden beordert hatte, war dort die Lieferung weiterer schwerer Waffen an die Ukraine zentrales Thema. Im Mittelpunkt stand die Entsendung der Offensivwaffe Leopard 2, einem Produkt der deutschen Waffenindustrie (Rheinmetall, Aktiengewinner seit Kriegsbeginn), für dessen Export durch Drittstaaten die Bundesregierung eine Genehmigung erteilen muss. Druck ausgeübt hatten insbesondere Polen und Lettland, aber auch die USA und GB. Großbritannien machte übrigens den Auftakt in der Entsendung moderner Kampfpanzer in die Ukraine, lieferte jedoch nur eine verschwindend geringe Stückzahl.
Nun wäre ein sofortiges Einlenken in dieser heiklen Frage nicht nur ein Eingeständnis deutscher Unterwürfigkeit, die in Anbetracht kippender Umfrageergebnisse dem Ansehen der Bundesregierung weiter abträglich gewesen wäre. Nein, in taktisch-kommunikativer Hinsicht unterstreicht das Drängen von immer weiteren Verbündeten die dringliche Notwendigkeit einer Handlung, die von ihrem Wesen her schließlich als unvermeidlich erscheint. Auch der womöglich inszenierte Streit zwischen US-Kriegsminister Lloyd Austin und der Bundesregierung lässt sich in diese Richtung deuten. Dass die Bundesregierung liefern und auch brav Exportgenehmigungen erteilen würde, stand im Vornherein fest. Jede Wette.
Der getretene Vasall
Vielleicht zeigt sich das wahre Ausmaß fehlender staatlicher Souveränität und transatlantischem Duckmäusertum der Ampelregierung erst in der Menge der Magentritte, die man sich von seinem „Freund“ und „Verbündeten“ aus Übersee mit einem devoten Lächeln auf den Lippen verpassen ließ. Auch hier wird der Umgang mit dem Anschlag auf die Nord Stream-Pipelines zum traurigen Symbol für eine Regierung, die sich selbst die Energiepolitik von einem mächtigen Drittstaat diktieren lässt, ihrer eigenen Bevölkerung Wirtschaft enorme Kosten aufbürdet (inklusive einer gigantischen finanziellen Umverteilung von den Bürgern unten zu den Konzernen oben) und das alles als Energiewende zur Rettung des Klimas verkauft. Gewinner dieses Coups und der daraus resultierenden Abhängigkeit von teueren Flüssiggaslieferungen sind neben US-amerikanischen Energiekonzernen (und der Reedereibranche) auch US-amerikanische Geostrategen, die sich endlich über die Realisierung des lang gehegten Vorhabens freuen können, Deutschland und Russland nachhaltig zu entzweien.
Überhaupt beeinflussen die wirtschaftlichen Interessen der USA immer dreister europäische und deutsche Märkte. So lässt sich das Geschachere um die Panzerlieferungen an die Ukraine auch als Manöver der USA deuten, den europäischen Markt für die eigene Rüstungsindustrie zu öffnen. Denn wo teures Kriegsgerät fehlt, eben weil es zum Abschuss durch russische Truppen in die Ukraine geliefert wird, muss neues zum Auffüllen der Bestände her. Ein lukratives Geschäft, da es nicht mit dem einfachen Verkauf von Kriegsgerät getan ist, sondern auch der Vertrieb einer umfangreichen Infrastruktur (Ausbildung der Soldaten, Wartung, Instandhaltung Reparatur) zum Betreiben der hochtechnisierten Tötungsmaschinen eine wichtige Rolle spielt.
Zur gleichen Zeit gerät die deutsche Volkswirtschaft zusätzlich (!) durch milliardenschwere Investitionsprogramme der Biden-Administration unter Druck, durch die immer mehr Unternehmen aus Deutschland abwandern, was in Kombination mit zunehmenden Insolvenzen infolge rasant gestiegener Energiepreise eine schwere wirtschaftspolitische Schieflage verursacht. Kanzler Scholz, immerhin politisch Hauptverantwortlicher, beschwichtigt und verharmlost. Gleichzeitig wird die beginnende Deindustrialisierung den staunenden Bürgern von den rot-olivgrünen Strategen aus Berlin als notwendige klimapolitische Restrukturierung verkauft.
Ganz in diesem Sinne spricht der französische Historiker und Publizist Emmanuel Todd kürzlich von einer „Achse Washington – London – Warschau – Kiew„, die Deutschland geopolitisch unter Druck setze und auf die hinteren Ränge verweise. Gleichwohl erkennt er das Straucheln der US-Hegemonie und sieht den protestantischen Westen auf dem absteigenden Ast – eine Analyse, mit der sich Todd in guter politologischer Gesellschaft befindet. Auch Todd spricht der im wesentlichen von US-Vordenker Zbigniew Brzeziński geforderten Strategie einer politischen und wirtschaftlichen Entfernung Deutschlands von Russland und China eine nach wie vor hohe Bedeutsamkeit zu.
Deutschland sei, so Todd, zu einer europäischen Führungsmacht avanciert und damit zu einem Rivalen der USA geworden, das sich zudem mit seiner Energiepolitik an Russland binde. So sei die NATO-Osterweiterung hauptsächlich gegen Deutschland gerichtet und die Anschläge auf die Nord Stream Pipelines das Werk der USA und ihrer Partner gewesen, was der Bundesregierung durchaus bewusst sei.
Provokative Thesen, die die ambivalente Stellung Deutschlands innerhalb einer geostrategischen Gemengelage verdeutlichen, die im wesentlichen auf die lange verfolgten Interessen der USA zur Sicherung ihrer Hegemonie im eurasischen Raum zurückgeht. Den meisten Regierungspolitikern und Journalisten scheint diese Situation nicht wirklich bekannt zu sein, da das Bekenntnis zur transatlantischen Bündnistreue weit verbreitet ist. Eine Bündnistreue, die im Grunde eine Vasallentreue ist, da sie mit gravierenden Nachteilen einhergeht: Der wirtschaftlichen Schwächung Deutschlands und seiner Deindustrialisierung, der zunehmenden militärischen Abhängigkeit von USA/NATO, der energiepolitischen Abhängigkeit von den USA, dem aktiven Eintritt in einen Krieg gegen Russland (das erste Mal wieder seit dem Zweiten Weltkrieg), der ökonomischen, gesellschaftlichen politischen Abkopplung von Russland und dem Verlust nationaler Souveränität. Ein eminent hoher Preis, zu dessen Entrichtung der Vasallenstaat Deutschland noch permanent zusätzliche Tritte von seinen „Partnern“ einstecken muss. Eine getretener Vasall eben.