Ich hatte Pech, denn ich war nicht zu Hause, als mir der / die / das DHL ein Paket zustellen wollte. Auf einem schmucklosen gelben Zettelchen wurde ich aufgefordert, dieses in der nächsten Postfiliale abzuholen. Mir schwante Übles, denn der Besuch einer Postfiliale war bereits vor Coronazeiten ein nervenstrapazierendes Unterfangen. Doch zu Zeiten des C-Wahnsinns holen die Postleute alle Asse aus dem Ärmel…
Wir leben in Zeiten des Wahnsinns und der Gängelei, des paternalistischen Obrigkeitstaats und des gefügigen Untertanentums. Denn beides bedingt sich gegenseitig: die gewaltförmige Herrschaft und die duckmäusernde Gefügigkeit.
Während das SARS-COV-2-Virus unsichtbar ist und es praktisch noch niemand live gesehen hat, begegnet uns seine Pandemie im Alltag meist sehr farbenfroh. Da wären die rot-weißen Absperr- und Markierungsbänder, rote Beschilderungen mit Verboten drauf, rote Schriftzüge zur Verdeutlichung irgendwelcher Regeln, das Signalgelb des Sicherheitspersonals und der patroullierenden Ordnungsbehörden und nicht zuletzt das Blaulicht der Polizeiautos. Und nicht zu vergessen, das Grau von Herrn Lautbachs schiefen Zähnen…
Regeln, Verbote, Erlasse, Absperrungen, Strafen, Zwänge, Kontrollen – das Coronaregime ist nicht nur hochgradig autoritär, es ist totalitär. Denn es durchdringt sämtliche Lebensbereiche bis tief hinein ins Private. Hinzu kommt die allgegenwärtige Massenmobilisierung durch Politik und Medien. Selbst der bildungsfernste Gamer kann mittlerweile auswendig nachbeten, dass es keine Lockerungen geben darf, solange die Zahlen nicht runtergehen und der R-Wert noch so hoch ist. Und da wäre ja noch die hochgefährliche Mutante und die unvernünftigen Leute, denen man den Lockdown zu verdanken habe. Wie so oft ist die Haupttriebkraft des Totalitären die Angst – diesmal eben vor einem unsichtbaren Feind.
Zur gleichen Zeit jagt die Polizei einen jugendlichen Coronasünder im gemeingefährlichen Einsatz per Polizeiauto durch einen Hamburger Park, während Ordnungsbehörden in Düsseldorf beinlahme Rentner von den Sitzbänken vertreiben. Schließlich herrscht Verweilverbot. Verweilverbot – was vorletztes Jahr noch als schlechter Witz eines uninspirierten Komikers gegolten hätte, ist unfassbare Realität geworden.
Und während im Hintergrund keifende Lautsprecherdurchsagen die neusten Regeln einer wildgewordenen Obrigkeit verkünden, nehmen die Ordungshüter Personalien von Leuten auf, die ihre Nasen nicht korrekt bedeckt halten.
Hier geht es nicht mehr um die Bekämpfung einer Seuche, es geht um die Demütigung und Entwürdigung von Menschen. Wie aussieht, führt dieses Land Krieg, Krieg gegen seine eigene Bevölkerung.
Aber wieder zurück zur Post. Als ich ankomme, steht die Schlange der Wartenden bis weit auf den Parkplatz. Alle haben brav die Maske auf, ich nicht. Maskenpflicht herrscht ja erst im Inneren der Filiale, worauf mich große Schriftzüge hinweisen. Es darf immer nur ein „Kunde“ in die Postfiliale, alle anderen müssen draußen warten. Zum Glück regnet es nicht. Dann würden sich vielleicht einige erkälten und dürften wegen Coronasymptomen nicht mehr zur Arbeit…
Ungeduld macht sich breit, schließlich macht die Post in einer Dreiviertelstunde zu. Und irgendwie tut sich nichts. Vielleicht eröffnet ja gerade jemand ein Konto bei der Postbank oder ist mit einem ähnlich hochbürokratischen Vorgang beschäftigt. Die am Ende der Schlange haben Angst, vor Schalterschluss nicht mehr vorsprechen zu dürfen. Dann hätten sie umsonst mit ihren Masken und Abständen gewartet.
Ebenso macht sich Unmut breit, weil sich im Eingangsbereich der Filiale ein Geldautomat der Postbank befindet. Gilt die Ein-Personen-Regel nun auch für Automatenbeutzer? Zudem befindet sich der Geldautomat auf dem gekennzeichneten Ausgangsweg. Eingetreten werden darf nämlich nur rechts, Ausgetreten (sic!) nur links.
Man ist ratlos und befragt den Sicherheitsposten. Tatsache, um einen coronakonformen Publikumsverkehr zu gewährleisten, gönnt sich die Post einen Posten. Der weiß aber auch keinen Rat und ist sichtlich bemüht, Hilfe zu holen. Schließlich gibt sich die Post einen Ruck und lässt die Leute trotz der anstehenden 3. Welle einzeln durch zum Geldautomaten. Wer in diesen Zeiten ein Konto bei der Postbank hat, darf als geklackmeiert gelten.
Irgendwann stehe auch ich kurz vor dem Eingangsbereich. Der Posten weist mich an, zu warten, bis der Kunde vor mir die Filiale verlassen hat. Erstaunt fällt mein Blick auf die Vielzahl von Plakaten und teils mannshohen Hinweistafeln, die den Leuten vorschreiben, wie sie sich in der Postfiliale zu verhalten haben. Eine Postfiliale als extraterrestrisches Terrain, in dem die üblichen Routinen nicht mehr gelten.
Endlich werde ich eingelassen. Der gesichtslose Postmensch hampelt hinter einer großflächigen Plexiglasscheibe herum und wirkt durch seine riesige Maske clownesk. Ich schiebe meinen Abholzettel durch eine kleine Durchreiche, erhalte mein Paket und muss per Unterschrift quittieren – digital auf einem Schreibgerät. Ich kritzele eine Wellenlinie darauf und dampfe ab.
Die Schlange draußen ist noch länger geworden, sie bringt es schätzungsweise auf 50 Meter. Die Leute tragen Masken und halten Abstand. Postbesuch zu Coronazeiten: ein Mix aus Kafka und Orwell…