Volksverhetzung im Parlament: Karl Lauterbach beschuldigt und diffamiert Ungeimpfte

Die Bundestagsdebatte zur Einführung einer Impfpflicht am 18. März war gespickt mit Merkmalen politischer Verrohung. Einen Tiefpunkt stellte die Rede von Karl Lauterbach dar, der in einer fanatisierten Weise gegen Ungeimpfte hetzte und sie in einer so bemerkenswerten wie verlogenen Verantwortungsübertragung implizit  für die Auswüchse der vergangenen Coronapolitik verantwortlich machte.

Seine Rede grenzte stellenweise an Kriegsrhetorik gegen einen Teil der eigenen Bevölkerung, als er in gespielter Rage die gesellschaftliche Spaltung aktiv vorantrieb (die sein Parteifreund und Kanzler Olaf Scholz weltfremd verneint). In einer wieder einmal erschreckenden, aber von Lauterbach sattsam bekannten Grundrechtsferne, holte die Corona-Heulboje (O. Lafontaine) zum Rundumschlag aus, wobei er ganz nebenbei auch kräftig gegen demokratische Grundprinzipien austeilte.

Dennoch klang der Applaus aus der mittlerweile extremisierten bürgerlichen Mitte eher verhalten, was aber mehr daran lag, dass der Bundestag nur zur Hälfte besetzt war. Viele der mutmaßlich geimpften und geboosterten Abgeordneten mussten der Debatte aufgrund von COVID-Erkrankungen fernbleiben.

Blicken wir an dieser Stelle auf eine Hauptpassage der Lauterbach’schen Rede und behalten dabei immer im Hinterkopf, dass es sich um die Worte eines Bundesministers handelt, der seinen Amtseid auf die Verfassung abgelegt hat. Die kursiven Sätze sind aus seiner Rede transkribiert. 

 Was wird im Herbst auf uns zukommen? Im Herbst werden wir erneut die Frage stellen müssen: wird unser Gesundheitssystem überlastet sein? (…) Sind die Pflegekräfte da, die wir benötigen.

  • Eine Überlastung des Gesundheitssystems hat es nie gegeben. Noch im vergangenen Jahr fand ein massiver Abbau von Intensivbetten statt.
  • Die Situation der Pflegekräfte wurde in den vergangenen zwei Jahren nicht verbessert, eher im Gegenteil. Ihre schlechten Arbeitsbedingungen sind auch Folge der Ökonomisierung des Gesundheitswesens, an der Karl Lauterbach vor der C-Krise maßgeblich mitgewirkt hat. Die sektorale Impfpflicht im Gesundheitswesen setzt viele Pflegekräfte zusätzlich unter Druck.  

Wir können ja nicht die vielen Ungeimpften, die dann Behandlung benötigen, und die sie auch bekommen werden, denen können wir ja nicht sagen, ihr hättet euch ja impfen lassen können, wir behandeln uns [sic!] nicht. Wir sind eine zivilisierte Gesellschaft, das heißt wir werden diese Menschen, die zum Teil selbst schuld sind, die zum größten Teil sogar selbst schuld sind, wir werden sie behandeln müssen.

  • Hier steigt Lauterbach in die Diffamierung und Beschuldigung Ungeimpfter ein.
  • Rhetorische Figur: Weil wir eine zivilisierte Gesellschaft sind, müssen wir – wider Willen, denn wir wollen es eigentlich nicht – auch diesen Menschen eine Behandlung zukommen lassen, obwohl sie selbst die Schuld für ihre Krankheit tragen. Hierin zeigt sich die verdeckte Drohung, diesen Grundsatz der Solidargemeinschaft in Zeiten nicht vorhandener roter Linien (Olaf Scholz) schnell über Bord zu werfen. Auch klingt ein möglicher Ausstieg aus dem Solidarprinzip an, indem medizinische Behandlung abhängig von der individuellen Verantwortung (religiöses Schuldmotiv) des Erkrankten gemacht wird. Was heute bei fehlender „Vorsorge“ (Impfung) bei Corona der Fall ist, kann auch auf Übergewicht, Zuckerkonsum, nicht absolvierten Vorsorgeuntersuchungen, Promiskuosität u.v.m. angewendet werden.
  • Lauterbach suggeriert noch immer das Bild der „Pandemie der Ungeimpften“. Tatsächlich geht der Anteil Ungeimpfter in den Intensvstationen zurück, während der der Geimpften und Geboosterten stark ansteigt. Unwissenheit oder vorsätzliche Lüge?
  • Einer Bevölkerungsgruppe ohne jeden objektiven Nachweis die Schuld an einer (angeblichen) gesamtgesellschaftlichen Krise zu geben, sie zu diffamieren und gegen sie zu hetzen, hat nichts mit zivilisiertem Handeln zu tun.

Und dann wird erneut das ganze Land in der Geiselhaft dieser Gruppe von Menschen sein, die einfach gegen die wissenschaftliche Evidenz der weltweiten Forscher, der weltweiten Behandlungsforscher, Impfforscher durchsetzen wollen. Die im Prinzip noch stolz darauf sind, dass das Land auf sie wartet, bis sie sich impfen lassen oder nicht.

  • Hier steigert sich die Diffamierung in offene Volksverhetzung. Lauterbach macht den ungeimpften Teil der Bevölkerung für die (vergangenen und künftigen) autoritären und repressiven Coronamaßnahmen verantwortlich. Die Argumentationsfigur beinhaltet die Unterstellung, die Politik habe aufgrund der Unvernunft dieser Gruppe garnicht anders handeln können. Da die Coronamaßnahmen in fast allen Fällen auf evidenzlosen Willkürentscheidungen der Exekutiven beruhen, verlagert Lauterbach die Verantwortung dafür rhetorisch von den Verwaltungen auf Ungeimpfte.
  • Mit dem Begriff Geiselhaft kriminalisiert Lauterbach Ungeimpfte und damit die in einem demokratischen Rechtsstaat (und vor allem in einer zivilisierten Gesellschaft) völlig legitime Inanspruchnahme des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung. Mit der Kriminalisierung dieser Entscheidung zeigt Lauterbach seine proto-totalitäre und faschistoide Gesinnung, die keinesfalls mit den Grundwerten einer zivilisierten demokratischen und liberalen Gesellschaft vereinbar ist oder – anders gesehen – ein Indiz für den Zerfall zivilisatorischer Werte darstellt.
  • Lauterbach verwendet einen verengten und unzulässigen Wissenschaftsbegriff, womit er die Heterogenität des wissenschaftlichen Diskurses leugnet. Denn wissenschaftliche Evidenz besteht auch hinsichtlich der Risiken der Corona-Impfung und ihrer Neben- und Langzeitfolgen. Diese wird weltweit von namhaften Forschern vorgetragen, deren Expertise von Politik und Medien systematisch aus dem Diskurs entfernt wurde und wird.
  • Neben Diffamierung und Kriminalisierung folgt nun die moralische Entwertung Ungeimpfter. Lauterbach unterstellt, diese seien auch noch stolz darauf, das Land in Geiselhaft zu nehmen. Mit der Diffamierung, Kriminalisierung und moralischen Entwertung gerät Lauterbach in die unmittelbare Nähe einer Entmenschlichung Ungeimpfter. Die in der jüngeren Geschichte letzte Entmenschlichung einer Bevölkerungsgruppe hatte verheerende Folgen. Hat Lauterbach nichts daraus gelernt?

Das können wir aus meiner Sicht nicht mehr leisten, wir müssen einmal Rücksicht nehmen auf die Kinder, wir müssen Rücksicht nehmen auf die Pflegekräfte, wir müssen Rücksicht nehmen auf diejenigen, die um ihre Existenz kämpfen. Jetzt geht es darum, dass diejenigen, die die Regeln beachten, die es all die Zeit nicht getan haben [???; sic!].

  • Lauterbach benennt mit dem Personalpronomen „wir“ eine Ingroup der „Vernünftigen“ und grenzt sie von der Fremdgruppe der Ungeimpften ab. Dieses „Wir“, die vernünftige Eigengruppe, kann sich das Fehlverhalten der abgegrenzten Unvernünftigen nicht länger leisten. Es müssen endlich Maßnahmen her, die der Fremdgruppe wehtun müssen (religiöses Opfer- vs. Bußemotiv).
  • Es folgt eine Anapher, in der Lauterbach eine bemerkenswerte (um nicht zu sagen: dreiste) Tatsachenverschiebung vornimmt: Eine Impfpflicht sei aus Rücksicht auf Kinder, Pflegekräfte und von Existenznot Bedrohte nötig, da, so die implizite Behauptung, der große Anteil Ungeimpfter für kommende Einschränkungen und damit die misslichen Situationen der benannten Gruppen verantwortlich ist. In dieser bewussten Falschdarstellung verneint er, dass es sich bei den Coronamaßnahmen um politische Entscheidungen gehandelt hat (und noch handelt), die sich fernab jedweder Evidenz bewegen und deren Wirksamkeit (absichtlich) niemals evaluiert wurde. Auch blieb eine sonst übliche Folgenabschätzung vor der Implementierung aus. Im Gegenteil weisen viele Studien darauf hin, dass die Kollateralschäden dieser Fehlentscheidungen höher sind, als ein möglicherweise verhinderter Schaden aufgrund von COVID. Lauterbach nimmt also, um einmal in seinem Sprachgebrauch zu bleiben, die Gruppe der Ungeimpften in Geisel- oder Sippenhaft für politische Fehlentscheidungen und autoritäre Anmaßungen außer Kontrolle geratener Exekutiven und Verwaltungen.
  • Besonders perfide ist sein Hinweis auf die Pflegekräfte: Gesundheitsökonom Lauterbach war ein wichtiger Akteur in der Ökonomisierung des Gesundheitswesens, also einer auf Fallpauschalen beruhenden Form der Gewinnsteigerungen von Kliniken. Insofern ist er mitverantwortlich für die enorme berufliche Belastung von Pflegekräften.

Fazit: Selten hat ein Regierungspolitiker in einer Bundestagsrede elementare Prinzipien von Demokratie, Liberalität und Grundrechten so massiv verletzt, wie Karl Lauterbach. Einmal mehr hat er seine autoritäre – um nicht zu sagen totalitäre und verfassungskritische – Gesinnung öffentlich zur Schau gestellt. Und ebenso selten hat ein Regierungspolitiker in der Ära nach dem Dritten Reich so unverblümt zur Ächtung einer Bevölkerungsminderheit beigetragen, wie Lauterbach. Damit folgt er der Maßgabe seines Regierungschefs und Parteikollegen Olaf Scholz, der keine roten Linien mehr kennt. Dass das ncit als dynamisches Hochkrempel der Ärmel sondern vielmehr als Drohung aufgefasst werden muss, zeigt auch Lauterbachs entgleiste Rede. Ein weiterer Tiefpunkt der Demokratie.