Endlich hört die Politik mal auf die Wissenschaft. So, oder so ähnlich, lauten die erleichterten Aussagen naiver Regierungsfreunde angesichts der repressiven Pandemiepolitik des Merkel-Kabinetts. Okay, „die Wissenschaft“ im Singular gibt es schonmal nicht, dafür ist sie zu heterogen. Und daher ist dieses „Hören auf die Wissenschaft“ allenfalls ein sehr selektiver Akt, der seinerseits der Logik machtpolitischer Interessen folgt.
Dass Wissenschaft immer vor dem Hintergrund konkreter Herrtschaftsinteressen stattfindet, hat uns die Kritische Theorie der Frankfurter Schule gelehrt. Leider weiß das Anno 2021 kaum jemand mehr. Trotzdem: Die Mechanismen dieser vertikalen Wechselwirkungen sind so subtil wie effektiv.
Manchmal sind sie auch etwas weniger subtil, etwa wenn die Zugehörigkeit zu einem exklusiven Beraterzirkel der Kanzlerin beste Karrierechancen verspricht. Und natürlich ist bekannt, welche Meinung die Tür dorthin öffnet und welche sie für immer verschließt. Ähnlich sieht es mit der Akquise von Drittmitteln für Forschungsprojekte aus. Wer nicht auf der offiziellen Linie schwebt, hat schlechte Karten – bis hin zur kompletten Ächtung.
Aber es kann auch mal so richtig schön plump zugehen. Etwa wie im aktuell berichteten Fall von Wissenschaftlern (das müsste man jetzt eigentlich in Gänsefüsschen setzen), die sozusagen Panik auf Bestellung geliefert hatten:
Wie bekannt wurde, beautragte das Bundesinnenministerium im letzten März mehrere Forscher aus deutschen Hochhschulen mit der Erstellung von Horror-Rechenmodellen. Das ist nicht weiter aufwändig und zeitintensiv, denn Computer lassen sich bereitwillig mit allen möglichen Daten füttern, um daraus jedes gewünschte Ergebnis herauzumodellieren.
Und siehe da, nach nur vier Tagen lagen die von Seehofers Ministerium gewünschten Szenarien auf dem Tisch.
Die Wissenschaftler hatten ganze Arbeit geleistet. Und mit dieser Arbeit ließen sich dann „Maßnahmen von präventiver und repressiver Art“ begründen, ganz so, wie es Staatssekretär Kerber bestellt hatte. Für die Karrieren der beteiligten „Wissenschaftler“ dürfte diese Aktion ganz sicher nicht zum Nachteil ausgefallen sein…
Wissenschaftler, die sich politisch instrumentaliseren lassen? Mit Blick auf das Geschehen der letzten Monate scheint das eher die Regel zu sein…
UPDATE:
Und selbstverständlich springt der „Volksverpetzer“ dem Innenminister zur Seite und verteidigt in hündischster Manier dessen Praktiken. „Merkels ehrenamtliche Privatarmee“ ist auch heute wieder in Hochform und unternimmt alles, um die autoritären und verfassungsfeindlichen Praktiken zu verteidigen. Aber selbst diese Anbiederung an einen rechtskonservativen Innenminister bereitet den linksaltarnativen Soldaten kein Kopfweh.
Zitat vom Volksverpetzer-Autor: „Ich glaube, das war gerade echt gerade (sic!) das erste Mal, dass wir Horst Seehofer verteidigt haben. Das sind verwirrende Zeiten“
Verwirrende Zeiten? Ich frage mich gerade, was diese Leute in den 1930-er Jahren gemacht hätten…